Montag, 10. Februar 2014

Eine Parkanlage für den Flecken



Zu meinen schönsten Erinnerungen an meine Jugendzeit gehören die wunderschönen, alten Parkanlagen in Blankenese und den anderen Elbvororten. Und nun, zu Beginn meiner Zeit als Ratsherr des Elbefleckens Freiburg, sollte im Rat über eine Parkanlage hier in Freiburg, meiner neuen Heimat, beraten werden. Wo immer ich zu meiner Meinung über eine Parkanlage im Ortskern befragt wurde, habe ich mich positiv zu den Plänen geäußert. Über den Ort bestand kein Zweifel. Sie sollte im Garten des ehemaligen Amtsgerichtes entstehen. Ich kannte das Gelände gut. Es erstreckt sich von der ehemaligen Bäckerei Kühlcke und dem Amtsgericht mit leichtem Gefälle abwärts nach Süden bis an die Straße „An der Börne“. Von hier, wo heute die Ausstellungshalle des Einrichtungshauses Wendler und der Gebrauchtwagenplatz der Firma Kober die Südseite der Straße begrenzen, bot sich ein Blick über einen teilweise von der Natur zurück eroberten Garten zum mächtigen Backsteinbau des Amtsgerichtes mit angrenzendem, von hohen Mauern umgebenem Gefängnishof.  Ja, zum Amtsgericht gehörte auch ein Gefängnis und, da auch Gefangene über ein gewisses Maß an Rechten verfügten, mussten sie die Möglichkeit zum „Freigang“ in eben diesem Hof haben!

Das Gefängnis gibt es übrigens immer noch. Hinter den dicken, mit schmiedeeisernen Beschlägen bewährten Türen sitzen heute nur  Mitarbeiter der Samtgemeindeverwaltung ein. Es handelt sich aber um einen sehr liberalen Vollzug, die Türen werden nicht mehr verschlossen, das Essen wird nicht mehr durch die kleine Klappe in die Zellen gereicht. Das Amtsgericht wurde längst zu einem modernen Verwaltungsgebäude hergerichtet und dient als Rathaus für die Samtgemeinde Nordkehdingen und den Flecken Freiburg.
Der letzte Justizangestellte, der noch Häftlinge in Freiburg versorgte, war Siegfried (Siggi) Neltner. Weil das Land Niedersachsen seine Vollzugsanstalten neu ordnete, wurde der kleine Außenstandort Freiburg geschlossen. Das Amtsgericht wurde aufgelöst und zurück blieben nur der Justizangestellte Siggi und seine Ehefrau Anni mit ihren Kindern. Es gab keine Häftlinge zu betreuen, Anni brauchte nur noch für ihre Familie zu kochen.  Siggi bekam im neuen Schulzentrum eine Anstellung als Schulassistent. Die Dienstwohnung im Amtsgericht blieb ihnen erst noch.

Der große Garten mit einigen Obstbäumen und gutem Boden für Gemüseanbau und bunte Blumen wurde von Familie Neltner gepflegt und genutzt. Erst, als sie auszogen in ihr neues Haus, eroberte sich die Natur langsam den Garten zurück. Ich lernte ihn kennen, als hier und da noch einige Blumenstauden zur Blüte kamen, ein riesiger Birnenbaum seine überreifen Früchte abwarf und ein holpriger, mit Kehdinger Ziegeln gepflasterter Pfad in der Mitte des Gartens von der „Börne“ zum Amtsgericht hochführte. Diesen meist rutschigen Ziegelpfad nutzte ich manchmal auf dem Weg zum Jugendzentrum, das inzwischen im alten Amtsgericht eine Heimat gefunden hatte. Ich mochte den Weg durch den verwilderten Garten, die Blütenpracht des Birnenbaums oder im Herbst auch mal eine Birne, die den Fall einigermaßen heil überstanden hatte. Ich mochte auch den Blick auf den Kirchturm hinter dem mächtigen Ziegelbau.
Die Vorstellung, dass hier mitten im Ort eine Parkanlage mit einigen Sitzecken, dem alten Birnenbaum und mit roten Ziegelwegen, mit Blumen und Büschen entstehen sollte, gefiel mir.  Natürlich ist das etwas Anderes als Bauers Park oder der Hirsch Park in Blankenese. Aber, auch wenn er erheblich kleiner ausfallen sollte,  der Park in Freiburg , die Idee war gut!
Ich sah bereits vor meinem geistigen Auge die Rentner auf den Bänken in der Sonne sitzen, das Geschehen beobachtend damit beschäftigt, zu rauchen und sich lauthals über die unerzogene Jugend oder andere nicht gelöste Probleme im Dorf und der übrigen Welt auszutauschen. Mütter mit Kinderwagen legen eine kleine Pause auf dem Weg zum Einkaufen ein und abends trifft sich hier die Dorfjugend heimlich rauchend, die eine oder andere Dose Bier trinkend.
Ja, so ein Park ist nicht nur grüne Lunge und schön anzusehen. Er wird zum Ort der Kommunikation. Alles nur gut!

In der Einladung zu einer meiner ersten Ratssitzungen stand auf der Tagesordnung „Vorstellung der Pläne für die Errichtung einer Parkanlage im Amtsgerichtsgarten“. Ich war gespannt. Zu Hause hatte ich mich schon vorbereitet und eigene Ideen in einer Skizze zu Papier gebracht. Ich hatte an alles gedacht: Der Birnenbaum musste bleiben, Sitzbänke und Sitzgruppen wurden eingezeichnet und ein Wegesystem durch den Garten gelegt. Und dann hatte ich noch die Top-Idee am Schreibtisch: Freiluftschach und Grillecke! Das alles hatte ich mit bunten Stiften auf eine Folie übertragen, die ich mit einem Overheadprojektor auf die Wand des Sitzungssaales projizieren wollte. Ein bisschen stolz war ich schon, etwas Eigenes in der Tasche zu haben.
An einen Brunnen hatte ich nicht gedacht. Eigentlich schade, hätte auch ganz gut gepasst.

Im Sitzungssaal wurde uns Herr Butt aus der Wingst als Planer vorgestellt. Ich kannte ihn schon von früheren Begegnungen. Niemand sonst ist mir bekannt, der allzeit so korrekt gekleidet auftrat, wie unser Architekt Butt. Er trug stets und  ausschließlich Fliegen unter dem Kragen. Davon hatte er wohl mehrere, die er immer mal abwechselnd zum Einsatz brachte. Ich fragte mich manchmal in der Sitzung gedanklich abschweifend, wie er sich am Badestrand kleiden würde. Badehose, na klar! Und Fliege? Etwas anderes war für mich eigentlich nicht denkbar. Ich musste schmunzeln bei diesem Gedanken.
Herr Butt trug eine große Rolle mit seinem Plan unter dem Arm und machte gerade Anstalten, den Plan zu entrollen um ihn dann an die Wand zu heften. Auch ich bereitete mich vor und legte schon mal den Aktendeckel mit meiner Folie und einigen erläuternden Stichworten vor mich auf den Tisch.
Butts Plan hing an der Wand und er begann  auf Einladung des Bürgermeisters mit seinen Erläuterungen.
„Die Erschließung der Parkanlage stelle ich mir von der Straße „An der Börne“ ringförmig als Einbahnstraße vor mit einer Ausfahrt auch am Amtsgericht vorbei in die „Hauptstraße“ einmündend vor.“ Ich folge seinem Teleskop Zeigestock und plötzlich begreife ich, was für einem Riesenirrtum ich bis eben aufgesessen war.
Keine Bäume, keine Bänke, keine Fußwege in seiner Parkanlage!
Dafür: Einfahrten, Ausfahrten, Parkplätze – eben eine Parkanlage nicht für Menschen – für Autos!
Gott sei gedankt, dass ich niemandem aus meiner Fraktion und auch sonst niemandem von meinen Ideen bezüglich der Parkanlage erzählt hatte. Es hat mir die Sprache verschlagen und, statt aktiv an der Planung mitzuwirken, saß ich stumm da und folgte fassungslos Butts Worten.

Butts Pläne wurden später noch etwas verändert, es entstand eine fantastische Parkanlage, die sich auch problemlos als Festplatz für den Bockmarkt oder andere Veranstaltungen  nutzen ließ. Richtig glücklich war ich nicht mit diesem Ergebnis. Gedanklich hing ich noch allzu sehr meinen Vorstellungen vom kleinen Park an.  
Die Parkanlage erhielt in einem feierlichen Akt den Namen Fleckensplatz.
Zu meiner Freude wurde irgendwann ein Brunnen, der schon in Butts Planung eingetragen war, errichtet. Den hatte ich nicht in meiner Parkanlage. Hineingepasst hätte er aber sicherlich auch sehr schön.

Die ersten Jahre wurde die Parkanlage nicht so gut angenommen, lieber parkten die Freiburger in der viel zu engen Hauptstraße. Bloß keinen Schritt zu viel laufen! Es wurden sogar schon Freiburger beobachtet, die nach dem Besuch des Lebensmittelmarktes das Auto eben noch umparkten, weil sie ja noch zur 100 Meter entfernten  Kasse (Kreissparkasse) mussten. Belebter sah der Fleckensplatz erst aus, als das Amtsgericht zum neuen Rathaus umgebaut war und die Autos der Rathausbediensteten dort den Tag über darauf warteten, am Abend wieder nach Hause gefahren zu werden.

Und, weil die Idee für die Parkanlage neben vielen anderen guten Ideen aus dem Kopfe unseres damaligen Bürgermeisters Schild stammte, hat Freiburg den Fleckensplatz aus lauter Dankbarkeit in einem erneuten Festakt in Bürgermeister Günther Schild Platz umbenannt.

Dabei hätte es durchaus auch anders kommen können. Eine Parkanlage, wie ich sie skizziert hatte, hätte uns deutlich näher an Blankenese gerückt. Wir hätten einen Park, wie Bauers Park bekommen, zugeben etwas kleiner,  und der hätte dann heute Bürgermeister Schild Park geheißen.

Darauf wird Freiburg nun wohl vergeblich warten müssen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen