Dienstag, 4. Februar 2014

Neues aus der Anstalt 2



Roseneck Klinik März 2011

Gruppentherapie
Die GT läuft nach immer gleichem Ritual ab. Begrüßung, Vorstellung neuer Patienten, Blitzlicht über die aktuelle Befindlichkeit der Gruppenmitglieder und dann wird ein Problem eines Mitgliedes thematisiert und wird Gruppenthema. GT ist für alle Patienten verbindlich. Außerdem nehmen die behandelnden Ärzte und Psychologen an der GT teil. Der Kreis umfasst ca. 15-20 Personen.

Bein an dem ein nasser gelber Duschvorhang klebt


Regelmäßige LeserInnen meiner Briefe sind über ein Problem informiert, das mich in den vergangenen Tagen sehr beschäftigt hat: der Duschvorhang. Die Anregung von Herrn Prof. Dr. Goebel, den Duschvorhang und die damit verbundene Problematik zum Thema einer GT – Sitzung zu machen, rückt immer ferner. Irgendwie möchte ich über dieses Thema nicht in der großen Runde sprechen. Außerdem hat N. geäußert, dass sie sich schon auf ein Rollenspiel zu diesem Thema freuen würde.
Ist ja auch schon ganz schön intim, das Ding mit dem Duschvorhang.
Trotzdem, es beschäftigt mich schon und so verwundert´s  nicht, dass der Duschvorhang sich nicht nur immer wieder in meine Gedanken einschleicht. Mehr und mehr wird er Gesprächsthema im Kreise mir näher stehender MitpatientInnen.
Mit Freude habe ich zur Kenntnis genommen, dass sich vertrauensvoll Frauen und Männer meiner Station mir gegenüber öffneten und von ähnlichen Zwischenfällen berichteten. Es ist schön zu wissen, dass ich nicht allein den Attacken des Duschvorhanges ausgesetzt bin. Erschreckend ist, dass fast alle befragten MitpatientInnen von ähnlichen Erlebnissen berichten können.
Am schlimmsten hat es U. getroffen. Sie berichtete mir, dass sie der Penetranz des Nylonvorhanges derart überdrüssig war, dass sie vollends auf den Vorhang verzichtet und stattdessen allmorgendlich die Ganzbaddusche bevorzugt. Sie duscht offen! Sie muss natürlich anschließend das gesamte Bad trocknen.
M. und R. (der eigentlich R. heißt, wovon jedoch niemand wissen soll) machten die erstaunliche Entdeckung, dass sie beide die ersten Wasserstrahlen der Dusche nutzen, um den Vorhangsaum zu befeuchten und dann den feuchten Saum an den Duschwannenrand zu pappen.
Schlimm ergeht es N., die bei dem Gedanken, dass dieser Vorhang schon an hunderten fremder Hintern geklebt hat, sämtliche Freude am Duschen verloren hat. Aggressionen äußerten sich bislang nur verbal: Am liebsten würde ich das Scheißding runterreißen! Sie sollte unbedingt in die Aggressionsvermeidungsgruppe gehen, bevor noch ein Unglück geschieht. N. höre auf den Rat eines Freundes. Mach´ dich nicht unglücklich, vertrau dich lieber deinem Therapeuten an! Hörst du??!
T. hat herausgefunden, dass der Duschstrahl entscheidend Einfluss auf das Vorhangsverhalten hat. Nicht den harten Strahl nehmen! Es gibt drei Einstellungen. Mit dem weichen Strahl ist der Duschvorhang weitaus weniger stimuliert!
V. öffnet den Vorhang eben nur „ a bissele“ und dreht den Strahl runter und bei D. klebt´s auch schon mal am Hintern.
R. hat keine Probleme mit dem Vorhang. Er führt den glücklichen Umstand auf konsequentes „Handduschen“ zurück. Also, der Duschvorhang bleibt, wo er ist, und der R. schaut dabei auf die Amatur. Während des Duschens, so in der Kanzel vorgeführt, leichte Linkskreisel mit „demm Brausekopf“ und, wenn das Duschgel aus dem Haar ist, langsam weiter runter kreiseln. Na R., wenn´s  denn hilft.
A. fällt zu dem Thema nur ein, dass bei ihr nur jeder zweite Haken des Vorhanges eingehängt ist. Das überzeugt nicht als geeignetes Mittel, die Aufdringlichkeit des weißgrauen Vorhanges abwehren zu können. Der beschriebene Umstand könnte allerdings im Falle einer Extremattacke von Vorteil sein. Dann nämlich, wenn als letztes Mittel nur noch ein beherztes Wegreißen des Duschvorhanges in Betracht kommt.
T. beteuert, dass er ein völlig ungestörtes Verhältnis zu seinem Duschvorhang habe. Leider ließ sich nicht eindeutig klären, welchem Umstand er diese glückliche Situation zu verdanken hat. Er behauptet, dass läge an der Wassertemperatur und wir Opfer würden alle nur zu heiß duschen. Hier irrt er, der junge Student der Medientechnik, wie dem kurzen wissenschaftlichen Exkurs am Ende meiner Ausführungen zu entnehmen ist.
Und dann ist da noch F. . Er ist Physiklehrer am Gymnasium und geht die ganze Geschichte von der wissenschaftlichen Seite an. Ihn ließen sämtliche Schilderungen am Frühstückstisch kalt. Ganz trocken erklärt er uns, dass das doch ganz einfach mit dem Bernoulli – Effekt zu erklären sei. Und, F. du hast es ja so gut erklärt.

Wissenschaftlicher Exkurs:

Aufdringlicher Spritzschutz !

Warum klebt der Duschvorhang?

Wer kennt es nicht: man steht in der Dusche, dreht das Wasser auf und der Duschvorgang bewegt sich sofort auf die nassen Beine zu. Da bleibt er dann hartnäckig kleben. Das ist zuhause nur lästig, aber in Hotel-Badezimmern auch eine Frage der Hygiene. Doch warum klebt der Duschvorhang überhaupt? Und was hat das mit Flugzeugen zu tun?


Eine heiße Dusche am Morgen kann traumhaft entspannend sein, der richtige Start in den Tag?  Es sei denn man bekommt es mit einem aufdringlichen Duschvorgang zu tun.
Warum macht der das?
Die durch das heiße Wasser erwärmte Luft steigt auf und erzeugt dabei einen Unterdruck im Innern der Duschkabine. Zum Druckausgleich strömt kalte Luft von außen nach und drückt dabei den Duschvorhang nach Innen. Das nennt man den "Thermischen Effekt". Je schwerer das Material des Duschvorhangs ist, umso weniger wird der Duschvorhang nach innen gedrückt.
Sind klebende Duschvorhänge also nur das Problem von "Warmduschern"? Leider nein. Auch bei kaltem Wasser sucht der Vorhang die Nähe der Beine! Durch den Strömungsdruck des Wasserstrahls wird die umgebende Luft mitgerissen. Die Folge dieser Bewegung ist ein Unterdruck in der Kabine. Erhöht sich die Geschwindigkeit, sinkt der Druck und umgekehrt. Ein Prinzip dass der Schweizer Physiker Daniel Bernoulli bereits im 18. Jahrhundert für Flüssigkeiten entdeckte.
Und was hat das alles mit Fliegen zu tun?
Wer Flugzeuge nutzt, profitiert vom selben physikalischen Prinzip, der einem das Duschen vermiesen kann: Die spezielle Form der Tragflächen nutzt den Bernoulli-Effekt und sorgt damit für den nötigen Auftrieb des Flugzeuges. Sie sind so konstruiert, dass auf der Oberseite die Luft schneller vorbeiströmt als auf der Unteren. Dadurch entsteht auf der Oberseite ein Unterdruck. Die Tragfläche folgt, wie der Duschvorhang, dem Druckgefälle - das Flugzeug hebt ab.
Der Tipp
Wenn man jetzt aber nicht fliegen, sondern den Tag einfach nur mit einer warmen und wohligen Dusche beginnen möchte, ganz ohne die plumpen Annäherungsversuche des Duschvorhangs, gibt es einen einfachen Trick: Man befeuchte den Duschbeckenrand und heftet das lästige Tuch dort an. Es wird sich ebenso hartnäckig ansaugen wie zuvor an den Beinen.
Nachspann:

Das haben M. und R. (der eigentlich R. heißt aber nicht so genannt werden möchte) doch auch schon herausgefunden, obwohl sie sich nie mit den wissenschaftlichen Hintergründen des Duschvorhangverhaltens befasst haben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen