Donnerstag, 7. Dezember 2017

Konrad - Mein Freund



Ich möchte heute von Konrad erzählen. Konrad ist einer meiner Kehdinger Freunde.
Konrad und ich waren nicht immer Freunde.
Nicht, dass wir uns früher nicht leiden konnten. Nein, so war es nicht!
Wir kannten uns einfach noch nicht.
Kennengelernt haben wir uns erst über Martina, Martina Leithemeyer aus Franken. Sie hat Konrad unten am Elbdeich in Freiburg getroffen, sich in ihn verliebt und heimlich ein paar Fotos von ihm gemacht. Martina hielt sich gerade für eine Woche als Gast des Kunstvereines Kehdingen in Freiburg auf. Ihre Aufgabe war es, sich kreativ mit der Tierwelt Kehdingens auseinanderzusetzen. Auf langen Spaziergängen in die Natur ließ sie sich inspirieren.
Und dabei ist es eben passiert - also das mit Konrad!
Liebe auf den ersten Blick, wenn auch durch einen Zaun und einige 30 Meter voneinander getrennt. Am liebsten hätte sie ihn mitgenommen, was aber in ihrer aktuellen Situation überhaupt nicht ging.
Aber einige gute Fotos hatte sie von Konrad, von dem bis heute nicht sicher ist, wie sein wirklicher Name lautet.
Konrad hat ihn Martina genannt.
Einfach so, weil sie der Meinung war, dass er irgendwie aussehen würde, als hieße er Konrad.
Zurück in ihrem Gastatelier hat sie sich die Fotos von Konrad auf den Bildschirm gezogen. Fasziniert von der Ausstrahlung „ihres“ Konrads, beschloss Martina ihm einen Platz in ihrer Ausstellung zu geben.
Warum auch nicht?
Tierwelt Kehdingens, passt doch!

Was ich bislang noch nicht gesagt habe, Konrad ist ein Schaf. Genaugenommen müsste er ein Schafbock sein, dem Namen nach zumindest.
Aber da traue ich Martina nicht ganz.
Künstlerin eben. Nicht die Fakten zählen, allein die Wirkung.
Und, wenn das Schaf auch weiblich ist, aber bei ihr das Gefühl von Konrad auslöst, dann ist es eben ein Konrad.

Und dann war es so weit. Konrad, leicht verfremdet mit Wachs, Speiseöl und schwarzer Schuhcreme, fand einen schönen Platz in der Nähe des Eingangs. Perfekt ausgeleuchtet blickte er den Ausstellungsbesuchern ins Gesicht. Sehr viele Menschen verharrten vor ihm, häufiger  als vor anderen Bildern.

Heute, nachdem ich Konrad so gut kenne, glaube ich zu wissen, was mich und viele andere Menschen an Konrad fasziniert: Er ist ein Schaf mit menschlichen Gesichtszügen!



 
Belustigt? Arrogant? Kokettierend? Genießend? Überheblich? Besserwissend?
Ich weiß es  nicht genau.
Ich weiß  aber noch genau, wie ich vor ihm stand und überlegte, warum er mir gefällt.
Susanne trat hinter mich.
„Gefällt er dir auch?“
„Ja, irgendwie schon. Aber 120 € für ein schwarzes Schaf?“
Ich schmunzle über meinen ungeplanten Wortwitz.
„Mein Kunstbudget ist eigentlich auch schon ausgeschöpft, gefallen tut er mir aber schon sehr. Ich glaube bei 60 € wäre ich weich geworden.“
Wir stehen vor Konrad und blicken in seine zusammengekniffenen Augen. Es ist nicht raus, ob er uns so überhaupt sehen kann.
Eine Idee breitet sich in Windeseile in meinem Kopf aus.
„Sechzig Euro wäre OK?“
„Ja schon. Sie lässt aber bestimmt nicht mit sich handeln.“
„Nein, das glaube ich auch nicht. Was hältst du davon, wenn wir Konrad zusammen kaufen? Jeder 60 €!“
„Und, wie soll das gehen? Soll ich ihn dann immer in Freiburg besuchen kommen? Oder willst du nach Stade kommen?“
„Nein. Konrad zieht einmal im Jahr um. Ein halbes Jahr ist er in Stade und die zweite Jahreshälfte in Freiburg.“
Susanne lacht.
„Das ist ja dann so etwas wie „Kunst Sharing“, ich glaube so etwas gibt es noch nicht.“
„Ja, Kunst Sharing hört sich gut an. Wir machen Kunst Sharing. Konrad wird sich schon an uns beide gewöhnen.“
Noch lachend besiegelten wir unser gemeinsames „Start Up“ mit Handschlag.

Nun gehört Konrad uns. Inzwischen ist er schon einige Male von Stade nach Freiburg und wieder zurück gewandert. Trotz anfänglicher Befürchtungen meinerseits scheint er gut mit dem Leben in zwei Haushalten zurechtzukommen.
Nun, gerade, wie ich hier schreibe, guckt er mir von der Fensterbank aus zu.
Verschmitzt? Verschlagen? Amüsiert? Schnippisch? Überlegen? Weise?
Vielleicht, Konrad, vielleicht fängst du eines Tages an zu reden. Dann werde ich dich fragen, was du damals gedacht hast, als du mir beim Schreiben deiner Geschichte zugeschaut hast.

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